Beteiligungsprozess "Armut begegnen - gemeinsam Handeln"

Dieses Projekt wurde 2017 vom rheinland-pfälzischen Sozialministerium gestartet. Ziel ist es, Menschen mit Armutserfahrung und soziale Akteur*innen unmittelbar zu beteiligen, um zu erfahren, wie Armut erlebt, bewältigt wird und wie ihr vorgebeugt werden kann: vor Ort sollen Betroffene und soziale Akteur*innen, aber auch politisch Verantwortliche zusammenkommen, um Lösungen zur Reduzierung von Armut und Armutsfolgen sowie zur Prävention von Armut zu erarbeiten. Die Ergebnisse sollen dann in einen landesweiten Aktionsplan gegen Armut einfließen. Wissenschaftlich begleitet wird dieser Prozess von dem Beratungsinstitut ORBIT aus Jena.

Nachdem Frauen unseres Arbeitskreises „Frauen und Armut“ an einem regionalen Beteiligungsworkshop in Koblenz bzw. Bad Kreuznach teilgenommen hatten, an dem sich Vertreter*innen unterschiedlichster sozialer Bereiche und Institutionen (Caritas, Gewerkschaften, Arbeitsämter, Beratungsstellen, Diakonie, Verwaltungen, Kirchen..) getroffen und ausgetauscht hatten, beschlossen sie, sich an dem Projekt zu beteiligen. Die VG Simmern konnte als öffentlicher Projektpartner vor Ort gewonnen werden sowie weitere soziale Partner. Mit Unterstützung von ORBIT fand ein erster Beteiligungsworkshop in Simmern statt: am 5. November ein Treffen mit von Armut betroffenen bzw. bedrohten Frauen, an dem sie über ihre Probleme sprachen und einen Tag später ein Treffen mit politischen und sozialen Akteur*innnen der VG, die erste Lösungsansätze und Handlungsvorschläge erarbeiteten.

Die angesprochenen Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten -ansätze waren:

- Wohnen: es fehlt vor allem an bezahlbarem Wohnraum, an Sozialwohnungen, das Wohngeld entspricht nicht der Realität. Hier soll auf Kreisebene eine Wohnungsbaugenosssenschaft zur Schaffung von mehr bezahlbaren und sozialen Wohnungen initiiert werden.

- gesellschaftliche Teilhabe, Anerkennung und Unterstützung: auf Grund von versteckten Folgekosten ist Teilhabe z.B.in Vereinen meist nicht finanzierbar. Die Behandlung auf Ämtern wird als entwürdigend empfunden, oft wird auch nicht ausreichend beraten. Außerdem ist es schwierig, sich in dem als kompliziert und unübersichtlich empfundenen Unterstützungssystem zurechtzufinden. Um hier eine wirkungsvolle Hilfe anzubieten, wurde der Gedanke eines „Lotsenprojekts“ aufgegriffen. So soll eine entsprechend qualifizierte Person als Ansprechpartner*in vor Ort erreichbar sein, über Fördermöglichkeiten beraten, evt. zu Terminen mitgehen. Außerdem sollen Betroffene in ihrer Selbstorganisation unterstützt werden. Letzteres wird an unseren Arbeitskreis „Frauen und Armut“ angedockt. Darüber hinaus soll Frauen über Coachingangebote und andere Weiterbildungskurse die Möglichkeit gegeben werden, Selbstbewusstsein aufzubauen und Wege in ein selbstbestimmteres Leben zu finden.

- Gesundheit: hier sind u.a. die nicht von den Krankenkassen finanzierten Kosten (Brillen, Zahnspangen für Kinder…) eine große Belastung

- Mobilität: der ÖPNV im Kreis ist zu teuer und darüber hinaus werden vor allem Dörfer nicht ausreichend in den Fahrplan eingebunden. Hier will man sich darum bemühen, dass es zumindest eine kostenfreie Schülerbeförderung bis zum Abitur gibt.

- Arbeit und Finanzen: es gibt zum einen nicht ausreichend Vollzeitarbeitsstellen, Minijobs reichen nicht zum Lebensunterhalt aus, auch ist das Betreuungsangebot für Kinder unzureichend, was für Alleinerziehende zusätzlich ein großes Problem ist. Wegen ihrer prekären Situation und Angst vor Armut verbleiben einige Frauen in gewalttätigen Beziehungen. Um prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu minimieren, könnte die Kampagne „Raus aus dem Minijob“ verbessert und variiert werden, z.B. durch Coachingangebote für Frauen. Auch eine bessere Betreuungssituation in den KiTas soll angestrebt werden.

Diese Lösungsansätze wurden in der Zwischenzeit weiter verfolgt: hinsichtlich des „Lotsenprojekts“ hat die VG Simmern mit der VG Gensingen-Sprendlingen, in der es ein ähnliches Projekt gibt, Kontakt aufgenommen und ein erstes Gespräch ist geplant.

Unser Arbeitskreis „Frauen und Armut“ hat sich auf einem Treffen im Januar mit der Situation auf dem Wohnungsmarkt in Simmern beschäftigt, wo es mangels sozialem Wohnungsbau kaum möglich ist, auch auf Grund der Mieteinstufung, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Auf diese Misere soll in einem Brief ans Ministerium aufmerksam gemacht werden und es sollen Möglichkeiten und Zuständigkeiten für eine Änderung herausgefunden werden.

Zudem soll an der Unterstützung der betroffenen Frauen weiter gearbeitet werden und als Wege aus der Isolation und zur Vernetzung untereinander sind gemeinsame Aktivitäten für die Frauen in Planung (zunächst auf Wunsch ein Wandertag).

Der internationale Frauentag am 8. März 2019 ist eine gute Möglichkeit, um auf das Armutsproblem aufmerksam zu machen, daher ist ein Aktionsstand auf dem Wochenmarkt in Simmern am 7. März 2019 mit dem Thema „Armut hat viele Gesichter“ in Planung.